Rock, Klassik, Techno. Was verrät der Musikgeschmack über eine Person?
- 11.11.2016
- Lassen Sie mich mit einem kleinen Experiment beginnen: Stellen Sie sich vor Ihrem inneren Auge eine edle Flasche Sekt vor, daneben einige Gläser, in denen der Sekt leicht vor sich hin perlt. Versuchen Sie nun bitte, sich zu dieser Szene spontan eine passende Musik vorzustellen. Welche Art Musik kommt Ihnen dann in den Sinn? – Szenenwechsel: Stellen Sie sich nun stattdessen eine Flasche Bier vor, grün, daneben ein frisch eingeschenktes Pils. Welche Musik hören Sie bei diesem Bild? Vermutlich haben Sie beide Szenen mit sehr unterschiedlicher Musik verbunden – den Sekt vielleicht eher mit klassischer Musik, das Bier hingegen mit Rock. Dies wäre eine recht typische Wahl – umgekehrt wäre es eher ungewöhnlich! Dieses kleine Experiment zeigt uns eine musikpsychologische Grunderkenntnis: Musikstile verbinden wir im Allgemeinen mit bestimmten, recht konkreten Vorstellungen vom Umfeld, in dem die Musik vorkommt beziehungsweise vorkommen sollte. Diese Verbindungen von Musik und Umfeld ziehen wir ganz unwillkürlich, aber trotzdem beeinflussen sie unser Denken in beide Richtungen: Wir verbinden die Vorstellung von Sekt mit der ‚passenden‘ klassischen Musik, aber umgekehrt auch klassische Musik mit dem ‚passenden‘ Getränk Sekt. Letztlich sind diese Verbindungen aber nichts anderes als Klischees, die wir über Musikstile im Kopf haben. Besonders wichtig für unsere Frage ist nun, dass diese Klischees sich auch auf die Menschen erstrecken, die einen bestimmten Musikstil als Musiker machen oder als Hörer bevorzugen. Die Vorstellungen sind dabei sehr weitreichend: Wir verbinden den Klassik-Liebhaber, den Metal-Fan oder den Volksmusik- Hörer nicht nur mit zum Beispiel einem bestimmten Kleidungsstil und Verhalten, sondern sogar mit einem bestimmten Bildungsstand und Einkommensniveau. Diese Art der Wahrnehmung ist für sich genommen nicht problematisch, sondern allgemein menschlich. Indem wir auf Basis weniger Informationen weitreichende Rückschlüsse darüber ziehen, wie unsere Umwelt vermutlich beschaffen ist und wie unsere Mitmenschen sich verhalten, kommen wir in unserer vielfältigen, komplexen Welt besser zurecht. Aber trotzdem müssen wir mit Klischees vorsichtig sein, denn ihre Herkunft ist schillernd und ihr Wahrheitsgehalt unklar. Wenn Sie eben zum Bild der grünen Bierflasche zusätzlich ein Segelschiff gesehen und Joe Cocker ‚Sail away’ haben röhren hören, dann ahnen Sie, woher Sie das haben. Insbesondere aber sagen solche Klischees, selbst wenn sie in der Verallgemeinerung stimmen, letztlich nichts über einen einzelnen, konkreten Menschen aus: Nicht jeder Klassik-Liebhaber hat Abitur, und nicht jeder Techno-Fan nimmt Aufputschmittel! Gelegentlich kann die Wirkung von Klischees fatal sein: Studien zeigen, dass Frauen bei einem Date besonders anziehend auf Männer wirken, wenn sie ‚Klassik‘ als Musikvorliebe angeben. ‚Rock‘ oder ‚Metal‘ schreckt Männer eher ab! Dummerweise kann man die Regel ‚Klassik macht sexy‘ aber nicht verallgemeinern, denn bei Männern ist es genau umgekehrt: Frauen nehmen beim Date den Rock-Fan als besonders maskulin und attraktiv wahr, den Klassik-Hörer hingegen als eher langweiliges Weichei … Seien Sie also mit Klischeeschlüssen vorsichtig – sonst verpassen Sie womöglich noch Ihr Glück!