Wer bin ich? Was ist meine Identität?
- 11.11.2016
- Die Frage nach der eigenen Identität beschäftigt uns Menschen heute vielleicht mehr als je zuvor – leben wir doch in einer sehr schnelllebigen Welt, in der oft große Wandlungsfähigkeit von uns erwartet wird. Da kann man sich schon mal vorkommen wie ein Chamäleon in einem Farbenkarussell mit defekten Bremsen. Aber was ist das überhaupt, Identität? Im psychologischen Sinne sind hierunter vor allem zwei Dinge zu verstehen. Zum einen bezieht sich Identität auf die Eigentümlichkeit einer Person, also das, was sie von anderen Menschen abgrenzt. Das einzigartige psychische Gesamtgefüge eines Menschen bezeichnen wir als Persönlichkeit. Diese umfasst unter anderem Eigenschaften wie Gewissenhaftigkeit, Leitmotive wie Erfolgshunger und das Selbstkonzept als Wissen über sich selbst. Die Forschung hat gezeigt, dass sich die verschiedenen Bereiche der Persönlichkeit in ihrer Stabilität unterscheiden. Zum Beispiel sind Persönlichkeitseigenschaften meist beständiger als das Selbstkonzept. In Person sehen wir das exemplarisch bei Horst Maler, der zunächst RAF-Mitglied war und später zum Rechtsextremisten wurde. Sein politisches Selbstverständnis scheint sich also im Laufe der Jahre sehr verändert zu haben – seine Neigung zum Extremismus hingegen eher weniger. Zum anderen hat, neben der Einzigartigkeit der Persönlichkeit, Identität auch sehr viel mit der empfundenen Verbundenheit mit anderen Menschen zu tun. Psychologen sprechen hier von der sozialen Identität, die offensichtlich sehr wichtig für unser Selbstwertgefühl ist. Wir tendieren deshalb dazu, die eigene soziale Gruppe aufzuwerten und andere Gruppen abzuwerten. Sehr gut ließ sich das im US-amerikanischen Wahlkampf beobachten, wo sich die Anhänger beider politischen Lager mit Diffamierungen nahezu überschütteten. Interessanterweise hat die Forschung gezeigt, dass schon einfache Merkmale wie ein kleiner Anstecker an der Kleidung ausreichen können, um solche empfundenen Gruppenzugehörigkeiten zu schaffen und den Umgang mit dem Gegenüber zu verändern. Aus den Medien kennen Sie sicherlich auch die Geschichten von Personen mit multiplen Identitäten, die manchmal gar nichts voneinander wissen. Aber gibt es Dr. Jekyll und Mr. Hyde auch im echten Leben? Auf diese Fragen kann ich Ihnen mit einem klaren „vielleicht“ antworten, denn die Experten sind sich diesbezüglich noch nicht einig. Für einige steht außer Frage, dass es die sogenannte Dissoziative Identitätsstörung wirklich gibt. Andere vermuten hinter den bekannten Fällen eher die Kreativität von jenen Patienten, die besonders für suggestive Fragen ihrer Therapeuten empfänglich sind. Unstrittig ist, dass das Bedürfnis nach eigener Identität tief in uns verwurzelt ist und unser Verhalten sehr stark beeinflusst. Auch können wir sagen, dass uns Identität nicht von Geburt an gegeben ist, sondern dass sowohl die genannte Abgrenzung als auch die Verbundenheit mit anderen im Laufe der Entwicklung erst hart erarbeitet werden müssen.