Familienerziehung im Generationenvergleich. Eine Studie zu Erziehungspraxen und alltagstheoretischen Entwicklungskonzepten ost- und westdeutscher Väter und Mütter zweier Elterngenerationen
Projektstatus: abgeschlossen
Drittmittelprojekt uri icon

Projektleitung

Beschreibung

  • Vor dem Hintergrund des in den letzten Jahrzehnten erfolgten Wandels familialer Lebensformen, des strukturell bedingten Zuwachses an Freiheitsräumen zur Gestaltung innerfamilialer Beziehungen und der steigenden gesellschaftlichen Erwartungen an die Erziehungs- und Bildungsleistungen von Familien geht die geplante Studie der Frage nach, wie Eltern heute das (potentiell) enttraditionalisierte Familienmilieu mental und praktisch aktiv strukturieren. Das Projekt beabsichtigt einen Vergleich der heutigen Elterngeneration mit der vorangegangenen Elterngeneration ihrer Väter und Mütter sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland, um Unterschiede sowohl innerhalb der Generationen als auch zwischen den Generationen in der Ausgestaltung der pädagogischen Freiheitsräume unter den jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen herauszuarbeiten. Das Sample wird systematisch nach Generationenzugehörigkeit, sozialgeografischer Herkunft (Stadt/Land, Ost-/Westdeutschland) und Bildungsabschluss (Hochschulreife oder darunter) der befragten Eltern quotiert und nach weiteren Kriterien (Lebenslage, Familienform) diversifiziert. Anhand von themenzentrierten Interviews mit narrativen Anteilen sollen Erziehungspraktiken und alltagstheoretische Konzepte kindlicher Entwicklung beider (in familialen Beziehungen miteinander verbundenen) Elterngenerationen sowie die von den Befragten selbst hergestellten biografisch-zeitgeschichtlichen Bezüge (oral history) empirisch rekonstruiert und vor dem Hintergrund der Forschungsliteratur zu generationsspezifisch-historischen Bedingungen des Familienlebens und der jeweiligen gesellschaftlichen Erwartungen an die Familienerziehung (Generationenlage, öffentliche Erziehungs- und Familiendiskurse) interpretiert werden. Zwischen beiden Generationen liegen gravierende gesellschaftliche und politische Veränderungen, die im Hinblick auf den generationenbezogenen Vergleich elterlicher Entwicklungskonzepte und Erziehungspraktiken bedeutsam sind: (1) die Teilung Deutschlands in Ost und West, die Wende in Ostdeutschland und die Wiedervereinigung sowie, das Ende des Kalten Krieges; (2) ein starker Globalisierungsschub mit neuen politischen Steuerungsstrategien, insbesondere in der Wirtschafts-, Sozial-, Familien- und Bildungspolitik; (3) der Ausbau außerfamilialer Bildungsangebote (Kindertageseinrichtungen, Ganztagsschulen); (4) die technische Revolution in der Informations- und Kommunikationstechnologie mit den Chancen und Risiken neuer Kulturzugänge und sozialer Vernetzungen. Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, wie sich jeweils die familiale Erziehungspraxis generationsspezifisch auf die neuen Herausforderungen eingestellt hat.

Projektlaufzeit

  • 01.04.2017 - 01.01.2021

Ergebniszusammenfassung

  • Die Durchführung des Projektes erfolgte im Wesentlichen nach den Vorgaben im Arbeitsplan. Abweichungen ergaben sich hinsichtlich der praktischen Durchführung der Datenerhebung und der Zusammensetzung des Untersuchungssamples. Eine Verzögerung der Erhebungsphase beruhte darauf, dass es sich als zeit- und arbeitsaufwändig herausstellte, gezielt den Quotierungskriterien (miteinander verwandte Eltern und Großeltern, Stadt/ Land, Ostdeutschland/ Westdeutschland, mit/ohne Hochschulzugangsberechtigung) entsprechend ein Sample von 32 Eltern zur Teilnahme an der Befragung zu gewinnen. Dennoch ist es gelungen, bis auf eine Zelle der Quotierungsmatrix für alle 16 Merkmalskombinationen mindestens einen, zumeist zwei, gelegentlich drei Fälle zu akquirieren. Die für die Analyse verwendete Datenbasis umfasst 16 Elterninterviews in der jüngeren und 16 Elterninterviews in der älteren Generation. Die Fälle wurden so ausgewählt, dass sie sich hinsichtlich der einzelnen Quotierungsmerkmale soweit möglich gleich verteilen und somit Quervergleiche ermöglichen. Die Strategie der Datenauswertung wurde den Erfordernissen eines qualitativ basierten Untersuchungsdesigns bei gleichzeitig hoher Fallzahl entsprechend dahingehend präzisiert, dass nach der ausführlichen sinnrekonstruktiven Analyse von vier Ankerfällen und vier Vergleichsfällen durch minimale und maximale Kontrastierung und bereichsspezifischen Vergleichen ein empirisch abgesichertes System von Auswertungskategorien entwickelt wurde, das eine effektive inhaltsanalytische Auswertung der restlichen Interviews und somit auch quantitativ-deskriptive Vergleiche ermöglichte. Im Ergebnis hat sich die Ausgangsthese einer weitgehenden Durchsetzung von Verhandlungspraktiken in den familialen Erziehungsmilieus grundsätzlich bestätigt. Allerdings ist die Bandbreite des Verhandlungsspielraums je nach Generationenzugehörigkeit, soziogeografischer Lage, Familiengröße und familialen Lebensumständen unterschiedlich. Über den Generationenwechsel hinweg bestätigt hat sich die in der Literatur behauptete Wandel des Partnerschaftskonzepts zu einer stärkeren Egalität hin sowie eine größere Aufmerksamkeit und Reflexivität der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder. Dabei verbindet sich zumeist ein dialogischer Umgang mit dem Anspruch auf elterliche Autorität. Diese Veränderungen lassen sich jedoch kaum auf den Einfluss von sozialen Bewegungen und politischen Ideologien zurückführen; sie scheinen eher mit einem allgemeinen Kulturwandel und gesellschaftlichen Strukturveränderungen in Zusammenhang zu stehen. Im Vergleich von westdeutschen und ostdeutschen Eltern zeigt sich nach wie vor (wenn auch heute weniger ausgeprägt) eine Differenz in den Erziehungsorientierungen und Erziehungspraktiken, die sich in Übereinstimmung mit der Forschungsliteratur auf die unterschiedlichen historischen Erfahrungen zurückführen lassen. Auffallend ist, dass trotz gestiegener Belastungen die These einer Überforderung der aktuellen Elterngeneration durch die vorliegenden Daten relativiert wird und die unterschiedlichen Bewältigungspraktiken der Familien in den Vordergrund rücken.

Schlagwörter

  • Allgemeine Pädagogik
  • Historische Pädagogik

Finanzierung durch

Bewilligungssumme

  • 367.788,00 €
Image Projekt-Links

Projektlinks