Das Projekt untersucht, welche Veränderungen in der Familie im Zusammenhang mit dem Übergang des ersten Kindes in die Grundschule auftreten. Es richtet dazu sein Augenmerk auf das Zusammenspiel von familialen Praktiken und der Materialität der familialen Umgebung bei der Transformation des familialen Erfahrungsraums. Die interaktiven und kommunikativen Praktiken in der Familie sowie die Wohnräume der Familie einschließlich der dort arrangierten und gebrauchten Dinge sollen ethnographisch daraufhin untersucht werden, welche neuen Themen, Praxisformen und Dinge in der Phase des Schuleintritts des ersten Kindes in der Familie auftreten und wie die neuen Erfahrungen in der Familie bearbeitet werden. Durch die Verknüpfung offener und fokussierter Erhebungsinstrumente sollen sowohl die spezifische Bedeutung der Familie für den institutionellen Übergang als auch die Resonanzen der familialen Ordnung auf diesen Übergang hin sichtbar werden. In dieser Absicht werden die familialen Praktiken und ihre Materialität im Kontext des familialen Alltags ebenso wie in ihren Rückwirkungen auf das kulturelle Erziehungsmilieu der Familie betrachtet. Mit dieser grundsätzlichen Ausrichtung sind empirische und theoretische Interessen verknüpft: Einerseits sollen die Gestaltung der familialen Umgebung als pädagogische Handlungsform und die Dimension der Materialität der Familienerziehung systematisch erfasst werden. Andererseits soll die Rekonstruktion der familialen Begleitung und Bearbeitung des Übergangs die Familie auch in ihrer Funktion für die Strukturierung kindlicher Lebenswelten sowie die Beantwortung gesellschaftlicher Adressierungen durch Kinder in ihren Familien beschreibbar machen. Dafür sollen empirisch fundierte Erkenntnisse über in der Familie auftretende Entgrenzungen zwischen Familie und Schule generiert werden, auch um auf dieser Grundlage nach den Bildungspotentialen zu fragen, die sich durch Differenzen und Übereinstimmungen zwischen diesen Lebensbereichen ergeben. Anhand der entlang dieser zentralen Interessen gewonnenen Befunde zu den Reaktionen der Familie auf die sich ihr aus der gesellschaftlichen Umgebung stellenden Aufgaben und Erwartungen sollen schließlich auch pädagogisch relevante Formen der Reflexivität der Familie als Lebensgemeinschaft der Generationen empirisch erschlossen werden.
Projektlaufzeit
01.09.2014 - 31.01.2018
Ergebniszusammenfassung
Das Projekt konnte sowohl hinsichtlich der Organisation als auch in Bezug auf den Forschungsprozess entsprechend dem Arbeitsplan durchgeführt werden. Die Fallgewinnung war erfolgreich und es konnte ein Sample von zwölf Fällen generiert werden, das eine breite Streuung von Familienkonstellationen und sozialstrukturellen Lagen der Familien aufweist. Das Vorgehen bei der Erhebung baut auf einem vorangegangenen Projekt auf und wurde in einigen zentralen Punkten adaptiert und differenziert (Erhebungen im intimen Raum der Familie, gemeinsame Erzeugung der ‚Daten‘ mit den beforschten Familien); auch bei den Analysen konnten erprobte Vorgehensweisen weiter ausgeschärft werden (Verschränkung ethnografischer und rekonstruktiver Verfahren). In den Analysen wurden Kernkategorien entwickelt und in Dimensionen und Merkmalsräume ausdifferenziert, die über die Beschreibung der einzelnen Fälle hinaus zu übergreifenden Befunden führen. Neben der relativen Bedingtheit der familialen Ordnung durch die sozialstrukturelle Lage der Familie konnte dabei eine bei den untersuchten Familien empirisch überwiegende Figur des Verhältnisses zwischen elterlichen Konzepten und familialen Praktiken herausgearbeitet werden. Demnach haben aus Sicht der Mehrzahl der Eltern pädagogische Konzepte eine steuernde Funktion für die familialen Praktiken. Zugleich konnte gezeigt werden, dass familiale Praktiken elterlichen Steuerungsintentionen nur verzögert folgen. In pädagogischer Perspektive ist auch von zentraler Bedeutung, dass die untersuchten Familien in ihren Praktiken sehr deutlich dazu tendieren, ihre Kinder als kompetente Mitspieler in die familialen Praktiken einzupassen. Eine Ausrichtung auf kindliche Autonomie ist nur in Ausnahmefällen festzustellen. Zum einen bestätigt das Projekt in der Forschung mehrfach anzutreffende Befunde zu Relationen zwischen sozialstruktureller Lage und Affinität zu institutioneller Bildung. Zum andern kann es zur Differenzierung dieser Befundlage beitragen und zeigen, dass Faktoren wie eine (etwa durch eine hohe Kinderzahl) besondere familiale Binnenkomplexität, eine ausgeprägte Bezugnahme auf familienbiografisches Wissen oder eine starke Verankerung in dörflichen Lebensweisen spezifische Dynamiken quer zur Frage der sozialstrukturellen Bedingtheit ausmachen. Schließlich ist im Kontext der Dominanz institutioneller Perspektiven in der Übergangsforschung festzuhalten, dass die untersuchten Familien problematische Verläufe ebenso wie das Gelingen des Übergangs nicht an Schwierigkeiten oder Erfolge beim schulischen Lernen der Kinder knüpfen. Im Vordergrund stehen für die Familien eindeutig die Herausforderungen bei Umstrukturierung des familialen Alltags (einschließlich der Frage veränderter Betreuungsarrangements) und die soziale Anbindung der Kinder an die schulische Peerkultur. Besondere Öffentlichkeitswirkung konnte das Projekt über ein TV-Feature erzielen, das für das Wissenschaftsmagazin „Quarks“ des WDR erstellt wurde und im Rahmen einer Sendung dieses Magazins über „Erziehung 2.0. Wie Eltern alles richtig machen“ gesendet wurde.