Entwicklung eines schulfachübergreifenden Instruments zur videobasierten Klassifikation metakognitiv-diskutiver Unterrichtsqualität am Beispiel der Fächer Geschichte, Mathematik, Religion
Drittmittelprojekt uri icon

Beschreibung

  • Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines fachübergreifenden Kodier- und Ratinginstruments zur Erfassung der metakognitiv-diskursiven Unterrichtsqualität.Unter den Einflussvariablen des Lernerfolgs kommt der Metakognition in diversen untersuchten Fächern große Bedeutung zu. In bisherigen Untersuchungen finden sich jedoch teilweise nur sehr geringe Effekte metakognitiven Wissens und metakognitiver Fähigkeiten auf die Bewältigung problemhaltiger Anforderungen. Dieser Befund wird in den betreffenden Publikationen damit erklärt, dass ausschließlich metakognitive Anregungen der Lehrpersonen erfasst wurden, eigenständige metakognitive Aktivitäten der Lernenden hingegen nicht einbezogen wurden. Neuere Untersuchungen zeigen zudem, dass Metakognition im Unterricht nicht losgelöst von der im Unterricht umgesetzten Diskursqualität betrachtet werden kann. Diskursqualität ist im Unterricht insofern von Bedeutung - und dies in Bezug auf einen Großteil der schulischen Unterrichtsfächer -, als Lernprozesse nur dann angeregt werden können, wenn im Rahmen von Diskussionen und Gesprächen Aussagen und Argumente präzise vorgetragen werden und sich in stringenter Art und Weise aufeinander beziehen. Ist dies nicht gegeben, kann in einem nächsten Schritt auch die Planung, Überwachung und Reflexion von damit verbundenen Aktivitäten nicht ertragreich sein.Zusammengenommen kann also vermutet werden, dass eine kombinierte Erfassung von Metakognition und Diskursivität im Unterricht im Sinne einer metakognitiv-diskursiven Unterrichtsqualität über die bislang in der Unterrichtsforschung unterschiedenen Konstrukte hinaus einen bedeutsamen Beitrag zur Erklärung des unterrichtlichen Lernerfolgs bieten kann.Im Zentrum des geplanten Projekts steht die Entwicklung eines Kodier- und Ratinginstruments zur Erfassung metakognitiv-diskursiver Unterrichtsqualität: Mit dem zu entwickelnden Instrument sollen neben den in bisherigen Untersuchungen im Vordergrund stehenden metakognitiven Anregungen der Lehrperson auch metakognitive Aktivitäten der Lernenden sowie die diskursive Qualität des Unterrichts abgebildet werden. Das Instrument soll fachübergreifend einsetzbar sein. Vorarbeiten in Bezug auf die Entwicklung eines entsprechenden Kategoriensystems existieren bereits. Für die Entwicklung des Instruments sollen Unterrichtsvideos aus den drei Fächern Geschichte, Mathematik und Religion (je Fach 5 Lehrkräfte mit je 4 Stunden) erhoben und analysiert werden. Mittels Generalisierbarkeits- und Entscheidungsstudien sollen Reliabilität, Varianzverteilung und Anzahl der Unterrichtssequenzen ermittelt werden, die zur Messung der metakognitiv-diskursiven Unterrichtsqualität pro Lehrkraft erforderlich sind.Die Ergebnisse des Projekts sollen für Folgestudien genutzt werden, um sowohl den Einfluss der metakognitiv-diskursiven Unterrichtsqualität auf den Lernerfolg als auch die Trainierbarkeit von Lehrpersonen für eine entsprechende Veränderung der Unterrichtsqualität zu untersuchen.

Verbund/Partnerorganisation

  • Universität Kassel - Institut für Erziehungswissenschaft - Fachgebiet Empirische Schul- und Unterrichtsforschung, Universität Zürich - Institut für Erziehungswissenschaft

Ergebniszusammenfassung

  • Ziel des Forschungsprojekts war die Entwicklung eines fachübergreifend konzipierten, zuverlässigen Beobachtungsinstruments zur videobasierten Beurteilung metakognitiv-diskursiver Unterrichtskultur. In zukünftigen Studien soll es u.a. zur Erforschung von Zusammenhängen zwischen der beurteilten Unterrichtsqualität und der Schülerleistung eingesetzt werden. Das Instrumentarium wurde zweistufig konzipiert: 1. Stufe: Die Raterin / der Rater analysiert videobasiert einzelne Sprechakte einer Unterrichtsszene und kategorisiert metakognitive und diskursive Aktivitäten mit einem Kategoriensystem. 2. Stufe: Dieselbe Raterin / derselbe Rater analysiert global ihre / seine Kategorisierung und beurteilt regelgeleitet die metakognitiv-diskursive Qualität der gesamten Unterrichtssequenz auf mehreren Skalen eines hoch inferenten Ratingsystems. Während das Kategoriensystem aus bestehenden Arbeiten der Arbeitsgruppe „Kognitive Mathematik“ (Universität Osnabrück) hervorging, wurde das Ratingsystem neu entwickelt. Es umfasst sieben Leitfragen, die unterschiedliche Facetten metakognitiv-diskursiver Unterrichtsqualität erfassen. Für dieses Ratingsystem wurde ein umfassendes Manual entwickelt. Sowohl das Kategoriensystem als auch die Leitfragen des Ratingsystems mit den dazugehörigen Antwortkategorien wurden zwar fachübergreifend formuliert, nehmen aber bei einer konkreten Anwendung die für das jeweilige Fach relevanten fachdidaktischen Aspekte wirksamer Lehr-Lernprozesse in den Blick. Eine weitere Besonderheit des Ratingverfahrens ist, dass es sowohl die Aktivitäten der Lehrkraft als auch die der Lernenden sowie die Interaktionen zwischen den Beteiligten beurteilt. Zur Evaluation des Ratingsystems wurde gymnasialer Unterricht überwiegend in Klasse 7 videografiert: je 20 Unterrichtsstunden in Geschichte und Religion (jeweils 5 Klassen à 4 Unterrichtsstunden) und 24 Unterrichtsstunden in Mathematik (6 Klassen à 4 Unterrichtsstunden). Das Ratingsystem wurde mittels Generalisierbarkeitsstudien auf Zuverlässigkeit überprüft. Durch nachfolgende Entscheidungsstudien wurde ermittelt, wie viele Sequenzen pro Lehrkraft erforderlich wären, um die metakognitiv-diskursive Qualität zuverlässig zu messen. Für die Qualifizierung von RaterInnen wurde ein intensives Schulungskonzept entwickelt. Geschult wurden je drei RaterInnen für die Fächer Geschichte und Mathematik, die jeweils alle Unterrichtsszenen des jeweiligen Fachs unabhängig voneinander beurteilt haben. Für das Fach Religion waren es zwei RaterInnen. In allen drei Fächern (mit Ausnahmen einer Leitfrage im Fach Mathematik) haben die RaterInnen die Unterrichtsqualität im hohen Ausmaß übereinstimmend beurteilt. Damit wurde gezeigt, dass verschiedene Beobachter unabhängig voneinander zu gleichen Urteilen bezüglich der metakognitiv-diskursiven Unterrichtsqualität kommen, wenn sie dazu durch eine geeignete Raterschulung qualifiziert werden. Für die Frage, wie stabil die eingeschätzte Unterrichtsqualität über mehrere Stunden derselben Lehrperson in derselben Klasse hinweg ist, konnte gezeigt werden, dass für die Fächer Mathematik und Religion nur zwei bis drei Unterrichtsstunden pro Lehrkraft / Klasse hinreichend wären, um generalisierbare Urteile der metakognitiv-diskursiven Unterrichtsqualität zu erhalten (mit Ausnahme von je einer Leitfrage). Im Fach Geschichte sind die Urteile hingegen sehr instabil und lassen sich nicht einfach generalisieren. Mögliche Ursachen dafür sind im Abschlussbericht erläutert. Aufgrund der durchgeführten Studien lässt sich somit festhalten, dass mit dem Instrumentarium ein praktikables, sehr zuverlässiges zweistufiges Verfahren zur Beurteilung metakognitiv-diskursiver Unterrichtsqualität im Fach Mathematik und Religion entwickelt wurde. Gilt der Anspruch auf die Generalisierbarkeit der Urteile nicht, dann steht mit dem entwickelten Ratinginstrument ein zuverlässiges Instrument zur Einschätzung metakognitiv-diskursiver Qualität einer einzelnen Unterrichtsstunde sowie einer Unterrichtseinheit (wenn alle Unterrichtsstunden dieser Einheit ausgewertet werden) in allen drei Fächern zur Verfügung.
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