Das Projekt untersucht den Beitrag von Milizen zur Herstellung und Gewährleistung von Sicherheit (Security Governance) in Fällen fragiler Staatlichkeit. Es stellt erstens die Frage, ob und wie Milizen spezifische Governance-Leistungen erbringen und welche Governance-Modi dabei genutzt werden. Es fragt zweitens welche Auswirkungen diese Form von Security Governance auf die Legitimität und Effektivität öffentlicher Sicherheit insgesamt hat. Drittens wird insbesondere untersucht, ob und inwieweit die Milizen unter der Kontrolle ihrer „Auftraggeber“ stehen und welchen Einfluss Kontrolle bzw. Kontrollverlust auf die Erbringung und auf die Qualität der Governance-Leistungen hat. Bei Milizen handelt es sich um paramilitärisch organisierte Verbände, die einem „Auftraggeber“ dienen und die für einen spezifischen Zweck gebildet werden. Untersucht werden auf der Basis von sechs Fallstudien verschiedene Zielsetzungen, die typischerweise von Milizen verfolgt werden: (a) Aufstandsbekämpfung (counter-insurgency), (b) Schutz bzw. Verteidigung der eigenen ethno-nationalen Gruppe bzw. Partei gegenüber (potentiellen) Konkurrenten (counterrivals), (c) Kriminalitätsbekämpfung (counter-crime).
Projektlaufzeit
01.10.2012 - 30.06.2017
Ergebniszusammenfassung
Das Projekt „Security Governance durch Milizen“ untersuchte die Genese und Persistenz von Milizgewalt. Das Ziel war, das Milizphänomen besser zu verstehen, konzeptionell zu erfassen und in seiner Langzeitwirkung für Staat und Gesellschaft zu untersuchen. Als Milizen wurden aus der eigenen Bevölkerung rekrutierte, paramilitärisch organisierte und bewaffnete Verbände verstanden, die aber nicht institutionell oder formal Teil des staatlichen Sicherheitsapparates sind. Sie agieren vielmehr als Schutz- oder Hilfstruppen für Status quo-Kräfte einer Gesellschaft, die Milizgewalt instrumentell zur Absicherung bestimmter Interessen, Privilegien und Ordnungsvorstellungen nutzen. Diese Kräfte fungieren auch als Stakeholder der Milizen. Milizgewalt lässt sich daher als politisch motivierte, status-quo orientierte Gewalt definieren, die mit der Verteidigung und dem Schutz einer Ordnung legitimiert wird. Konstitutiv war dabei die Unterscheidung von „counter-insurgency“ und „counter-rival“ als zwei zentrale Konstellationen, die zur Milizbildung führten. Entsprechend wurden je zwei Fälle ausgewählt: Amal (Libanon), PAC (Guatemala), AUC (Kolumbien) und Peschmerga (Nordirak). In den Fallstudien wurde der Entwicklungspfad von Milizen abgeschritten, um zu analysieren, wie sich Milizen an veränderte Rahmenbedingungen anpassen bzw. inwieweit und warum Milizgewalt virulent bleibt. Dazu war es notwendig, erstens die spezifischen Gründungskontexte herauszuarbeiten und die historische Entwicklung von Milizen nachzuzeichnen. Zweitens sollten Praktiken, Dynamiken und Rechtfertigungen von Milizgewalt sowie ihre ambivalenten Effekte auf öffentliche Sicherheit untersucht werden. Drittens galt es zu zeigen, wie sich – trotz der unterschiedlichen Verläufe in den Fällen – die Persistenz von Milizgewalt darstellt und welche längerfristigen Auswirkungen dieser Umstand für Staat wie Gesellschaft hat. Dabei zeigte sich, dass Milizen nicht nur in unterschiedlichen Konfliktkonstellationen auf den Plan treten, sondern dass ihre Strukturen und ihre Gewaltpraktiken zumeist über Jahrzehnte fortexistieren (auch nach formaler Auflösung von Verbänden). Das Projekt konnte zeigen, inwieweit Milizen eine Reihe von teils ambivalenten, teils kontraproduktiven Langzeitfolgen haben und sich negativ auf das Verhältnis Staat-Gesellschaft (Kolumbien, Guatemala) auswirken bzw. die Vertrauensprobleme innerhalb einer segmentierten Gesellschaft verstärken (Libanon, Nordirak).