Nichts als die Unwahrheit. Sind politische Lügen so alt wie das Mittelalter?
- 17.11.2017
- Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, den Reformationstag als gesetzlichen Feiertag festzulegen. Es sickerte durch, dass er alle fünfhundert Jahre begangen werden soll. Fake News? Natürlich. Man möchte hoffen, dass die offensichtlich unsinnige Nachricht von den allermeisten Medienkonsumenten sofort als Spaß einiger Nachrichtenfreaks enttarnt wird, die seit Jahren unter der Internetdomain www.der-postillon.com solchen Unsinn in die Welt setzen. Aber uns bleibt das Lachen im Halse stecken, wenn Fake News real wirken. In aller Munde sind solche Meldungen seit der Amtseinführung des US-amerikanischen Präsidenten (2017). Da wurden wider besseres Wissen Behauptungen verbreitet, deren Unrichtigkeit sich sehr einfach nachweisen ließ. Dennoch wirkten und wirken die sozialen Medien für objektiv sachlich falsche Nachrichten als Verstärker, weil Fake News von vielen Nutzern dieser Medien fahrlässig oder absichtlich weiter verbreitet werden. Die Geschichte von gefälschten Nachrichten oder alternativen Fakten geht weit zurück. Mit einiger Sicherheit wird man sie in allen Schriftkulturen nachweisen können, nur fehlt der derzeitigen Diskussion um Fake News jede Form historischer Perspektivierung. Glaubt man Wikipedia, dann war die Presse und Nachrichtenwelt vor Donald Trump weitgehend ein Hort der Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Das ist natürlich Unsinn. Zwei Fallgruppen aus dem Mittelalter sollen als Beispiele dienen. Fallgruppe 1: das Auftreten falscher Herrscher. Verstärkt am Ende der Stauferzeit häuften sich Fälle, in denen Betrüger sich als Kaiser ausgaben und sich dabei zumeist des Namens Friedrich bedienten. Die Nachrichten, die sich von diesen falschen Friederichen verbreiteten, zeigten ein tief empfundenes Bedürfnis: Viele sehnten sich nach einem starken Herrscher, der mit den Unsicherheiten der damaligen Gegenwart aufräumen würde. Es handelte sich um eine rückwärtsgewandte Utopie: Früher war alles besser, und deswegen wünschte man sich einen früheren Kaiser zurück und man war bereit hinzunehmen, dass der, der da behauptete, dieser frühere Kaiser zu sein, eigentlich wenigstens 100 Jahre alt sein musste. Fallgruppe 2: die Ritualmordbeschuldigungen gegen Juden. Etwa zur gleichen Zeit kam das Gerücht auf, Juden ermordeten Kinder, um ihr Blut für rituelle Zwecke zu nutzen. Es half nichts, dass Kaiser Friedrich II. die Vorwürfe untersuchen und feststellen ließ, dass dies falsch und die Juden unschuldig seien. Aufgrund solcher Vorwürfe wurden Hunderte Juden allein im Jahr 1285 in München gelyncht, Aberhunderte während des gesamten Mittelalters. Wir tun uns leicht, uns zu empören und solche Vorgänge für „mittelalterlich“ zu erklären. Nur: Sollte uns nicht diese eigene Überheblichkeit irritieren, wenn wir uns vor Augen führen, dass der Irakkrieg des Jahres 2003 mit dem nie nachgewiesenen Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen in der Hand des Iraks „begründet“ wurde? Dieser Krieg kostete mehr als 30.000 Menschenleben. Fake News können tödlich wirken.