Reputation. Verliert die Wissenschaft zunehmend an Glaubwürdigkeit?
- 17.11.2017
- Nur noch jeder zweite Bundesbürger hat Vertrauen in Wissenschaft und Forschung. Zu diesem Ergebnis kommt aktuell das Wissenschaftsbarometer der Organisation „Wissenschaft im Dialog“ in einer repräsentativen Umfrage. Sie wird seit 2014 jährlich durchgeführt. Zwölf Prozent der Befragten gaben an, dass sie Wissenschaft und Forschung misstrauten, 37 Prozent der Befragten zeigten sich unentschieden. Angesichts der aktuellen Diskussionen um Expertenfeindlichkeit, Fake News und Verschwörungstheorien ist diese Entwicklung nicht ohne Brisanz. Wie kommt es zu diesem Verlust an Glaubwürdigkeit? Laut der zitierten Studie wird von Bürgerinnen und Bürgern als häufigster Grund für Misstrauen gegenüber der Wissenschaft die Abhängigkeit von Geldgebern genannt. Außerdem war nur knapp die Hälfte der Befragten davon überzeugt, dass Wissenschaft und Forschung zum Wohl der Gesellschaft arbeiten, 16 Prozent waren gegenteiliger Meinung. Resümiert man diese und weitere Studien, wird deutlich, dass eine fehlende Unabhängigkeit als wesentliche Ursache für begrenztes Vertrauen in die Wissenschaft angeführt wird. Diese öffentliche Wahrnehmung trifft das Wissenschaftssystem in seinen Grundfesten, ist es doch gerade die grundgesetzlich verbürgte Freiheit von „wissenschaftlicher Forschung und Lehre“, die die Unabhängigkeit akademischer Institutionen und ihres Personals sicherstellen soll. Auch die einschlägigen Wissenschaftsorganisationen sind alarmiert, zumal sich von den Medien aufgegriffene Fälle über Forschungsbetrug, Plagiate und anderes wissenschaftliches Fehlverhalten nicht mit dem Hinweis auf Einzelfälle wegdiskutieren lassen. Es gibt unbestritten Mängel hinsichtlich der Qualitätssicherung wissenschaftlichen Arbeitens, angefangen von studentischen Studien- und Abschlussarbeiten über Publikationen und Forschungsberichte bis hin zu Promotionen und Habilitationen. Zwar sind hier technische Hilfsmittel wie der Einsatz von Plagiatssoftware und die geregelten Abläufe beziehungsweise Standards sowie externen Begutachtungen bei Veröffentlichungen und Qualifikationsarbeiten hilfreich, entscheidender ist aber die Verpflichtung auf einen entsprechenden Wissenschaftskodex. Hierzu gibt es inzwischen eine Fülle von Vorgaben der einschlägigen Wissenschaftsorganisationen und -verbände, wovon die Denkschrift der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2013) national die umfangreichste und maßgebliche Leitlinie zur guten wissenschaftlichen Praxis repräsentiert. Auch an einschlägigen europäischen und internationalen Guidelines mangelt es nicht, wie der Wissenschaftsrat in seinen „Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität“ (2015) resümiert. Wenn es gelingt, einige wesentliche Empfehlungen für das individuelle Verhalten von Wissenschaftlern sowie Wissenschaftlerinnen und die Rahmenbedingungen des Wissenschaftsbetriebs zum wissenschaftlichen Arbeiten umzusetzen, dürfte es mit der Reputation des Wissenschaftssystems auch wieder aufwärtsgehen.