Helikoptereltern. Müssen wir unsere Kinder steuern, damit sie im Leben erfolgreicher werden?
- Center of Early Childhood Development and Education Research
- FB 03 – Erziehungs- und Kulturwissenschaften
- 13.11.2020
- Für die Beschreibung von Elternschaft wird in der Forschung zwischen verschiedenen Stilen unterschieden, oft zwischen einem autoritären (Regeln werden gesetzt), einem autoritativen (Regeln werden begründet) und einem permissiven Stil (es wird wenig geregelt). Daneben wird auch danach differenziert, ob eher eine Sensibilität gegenüber kindlichen Bedürfnissen oder eher eine Kontrolle über das kindliche Verhalten im Vordergrund steht. Helikoptereltern sind vor allem im autoritativen Spektrum und in einer starken Ausrichtung auf Kontrolle zu verorten. Als mögliches Problem gilt dabei, dass elterliche Fürsorge, wenn sie überhandnimmt, umschlägt in eine einengende Kontrolle, die kindliche Autonomie in ihrem jeweiligen Entwicklungsstand nicht zum Tragen kommen lässt. Zum Zusammenhang zwischen elterlicher Fürsorge und kindlicher Entwicklung lässt sich auf empirischer Grundlage allgemein sagen: Ebenso wie zu wenig Aufmerksamkeit und Förderung können sich auch ein zu geringer Spielraum für Autonomie und zu hohe Anforderungen negativ auswirken. Allerdings sind diese beiden problematischen Randbereiche unterschiedlich groß und der Anteil der Eltern, die ‚zu viel‘ machen oder wollen, ist tatsächlich ziemlich klein. Dazwischen liegt ein breiter Bereich, in dem sich positive Effekte auf die kindliche Entwicklung zeigen. Erst einmal ist also festzustellen: Elterliche Förderung wirkt sich positiv auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus und erhöht damit auch die Aussichten auf biografischen Erfolg. Dass Helikoptereltern nun so kritisch betrachtet werden, muss man auch im Kontext eines veränderten gesellschaftlichen Zugriffs auf Kinder sehen. Der demografische Wandel (Geburtenrückgang bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung) etwa hat auf gesellschaftlicher Ebene zu intensivierten Erwartungen und auch Kontrollstrukturen gegenüber Kindern und Eltern geführt. So gibt es für viele Phänomene, die mit Helikoptereltern assoziiert werden (die Elterntaxis oder das vollgepackte außerschulische Kursprogramm am Nachmittag) jeweils auch entsprechende Diskurse, die Eltern in die Pflicht nehmen. Das gilt für Fragen der Gesundheit, der Sicherheit, der Ernährung und ganz besonders den Bereich der Bildung. Insofern trifft Helikoptereltern auch Kritik, die eigentlich auf gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse bezogen ist. Ein wichtiger Aspekt der Frage ist im Ausdruck ‚steuern‘ impliziert. Wann schlagen Fürsorge und Förderung in Steuerung um? Für diese Frage nach dem richtigen Maß lässt sich erstens auf die notwendigen Spielräume für eine entwicklungsangemessene Autonomie verweisen. Kinder erlernen Selbstständigkeit nur, wenn sie ihnen, soweit sie damit umgehen können, auch zugestanden wird. Zweitens lässt sich ein Konzept heranziehen, das in der Analyse der frühen Mutter-Kind-Beziehung entwickelt wurde und nach dem es darauf ankommt, dass kindliche Bedürfnisse nicht immer sofort erfüllt werden, sondern dass gute Elternschaft heißt, ‚gut genug‘ zu sein und dem Kind ein wenig Aufschub zuzumuten, damit es lernt, mit sozialen Aushandlungsprozessen umzugehen. Damit wird deutlich, dass das Maß für elterliche Fürsorge von beiden Seiten zu finden ist; von den Freiräumen der Kinder her und von den Eltern, die ihre elterlichen Pflichten ja in ein auch sonst ausgelastetes Leben integrieren müssen und die es entlasten kann, nicht perfekt, sondern eben nur gut genug sein zu müssen.