Fußball-WM – Sollen wir Katar die Rote Karte zeigen?
- 22.11.2022
- Ein Schatten lag über der Fußball-WM in Katar: der Schatten von Menschenrechtsverstößen seitens des Emirats im Vorfeld der WM. Konkret geht es laut Amnesty International um folgende Vorwürfe, die vor allem Wanderarbeiter im Rahmen des Stadionbaus betreffen: ∙ Ihnen seien Pässe abgenommen worden, damit sie Katar nicht mehr verlassen können. ∙ Lohn sei zu spät oder gar nicht bezahlt worden. ∙ Todesfälle auf den Baustellen seien nicht aufgeklärt worden. Stimmen diese Vorwürfe, hätte man Katar die rote Karte zeigen müssen. Was sind Menschenrechte eigentlich genau? Menschenrechte sind Freiheitsrechte des Einzelnen, die das Individuum gegen den Staat geltend machen kann. Zu unterscheiden ist der ethisch-moralische, naturrechtliche Begriff der Menschenrechte von dem juristisch-normativen. Nach der ersten Kategorie sind Menschenrechte vorstaatliches Recht. Die Menschenrechte kommen dem Einzelnen allein kraft seines Menschseins zu und sind nicht von staatlicher Gewährung abhängig. Davon zu trennen ist aber die positivistische Sicht auf die Menschenrechte. Normative Bindung erzeugen nur zwei Quellen der Menschenrechte: ∙ erstens einen absoluten Mindeststandard wie das Verbot der Sklaverei oder der Folter ∙ und zweitens die Menschenrechte, an denen sich die Staaten qua Völkervertragsrecht, d.h. über Abkommen zwischen den Staaten, gebunden haben. Dabei ist es aus juristischer Sicht wichtig zu betonen, dass sich unser ethisch-moralisches, abendländisches Verständnis von Menschenrechten nicht unbesehen auf jeden anderen Kulturkreis übertragen lässt. Welche Menschenrechte waren nun im Fall Katars überhaupt betroffen? Im Fokus stehen unter anderem das Verbot der Zwangsarbeit und das Gebot hinreichender Arbeitsaufsicht. Diese Verbote und Vorgaben sind niedergelegt in multilateralen Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (kurz: ILO). Die entsprechenden Abkommen hat das Emirat Katar ratifiziert. Es hat sich also selbst rechtlich daran gebunden. Ein 2014 seitens Katar eingeleiteter, dreijähriger Reformprozess zur Verbesserung der Situation der Wanderarbeiter wird – wenig überraschend – als unzureichend angesehen. Vorwürfe der Menschenrechtsverletzung betreffen auch Deutschland: Den Vorwurf der Menschenrechtsverletzung traf aber nicht nur das Emirat Katar. Er richtete sich auch an die Unternehmen, die aus der WM wirtschaftlichen Profit geschlagen haben. Als Beispiel dienten deutsche Unternehmen, die am Bau der Stadien beteiligt waren. Dazu zählten neben einem DAX-Unternehmen, das die Stromversorgungssysteme für die WM-Stadien geliefert hatte, auch mittelständische Unternehmen, die Maschinen zur Rasenpflege oder Material für das Stadiondach bereitstellten. Sprechen wir über Menschenrechtsverantwortung von Unternehmen, müssen wir uns vergegenwärtigen, dass Unternehmen jedenfalls völkerrechtlich bislang nicht an die Menschenrechte gebunden waren. Dies hat sich in Deutschland erst zu Beginn dieses Jahres geändert: Der deutsche Gesetzgeber hat, ohne aus dem Völkerrecht daraus verpflichtet zu sein, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) eingeführt. Danach sollen deutsche Unternehmen ab einer bestimmten Größe die Menschenrechte in ihrer Wertschöpfungskette beachten. Künftige Auslandsaktivitäten unter Beobachtung des LkSG: Für die WM ist diese Regelung zu spät gekommen. Jedoch können deutsche Unternehmen künftig bei Menschenrechtsverletzungen im Rahmen ihrer Auslandsaktivitäten nicht mehr wegsehen. Ihnen drohen bei Zuwiderhandlungen Bußgelder und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Die Bundesrepublik tritt damit gemeinsam mit Frankreich, das über ein vergleichbares Gesetz verfügt, als Weltmeister im Menschenrechtsschutz auf. Festzuhalten bleibt: Für den Schutz der Menschenrechte darf man nicht die Hände in den Schoss legen. Man muss am Ball bleiben.