Zukunft Europa - Gibt es bald ein Recht für alle Europäer?
- 07.11.2008
- Die Frage, ob es in der Zukunft bald ein Recht für alle Europäer geben wird, kann man nur beantworten, wenn man unterscheidet. Zunächst: Ein Recht für alle Europäer "das ist längst schon Gegenwart. Wir sprechen dann von "Europäischem Gemeinschaftsrecht" und meinen damit das von der Gemeinschaft selbst gesetzte Recht. Es steht im Range über allem nationalen Recht, selbst über dem nationalen Verfassungsrecht. Innerhalb dieses Gemeinschaftsrechts kann man wiederum zwischen Verfassungsrecht (beispielsweise über die Grundfreiheiten und über die Verfassungsorgane der Gemeinschaft) und "einfachem" Recht unterscheiden. Das Letztere hat mit den sogenannten "Richtlinien" etwas wirklich Besonderes hervorgebracht. Im Unterschied zu "Verordnungen" (das sind die in der ganzen Gemeinschaft unmittelbar für jeden Bürger geltenden Gesetze, der Name, der an die Straßenverkehrs"ordnung" erinnert, gibt nicht zu erkennen, welche Überragende Bedeutung einer EU-Verordnung zukommt) sind "Richtlinien" etwas ganz und gar Ungewöhnliches, nämlich Gesetze für Gesetzgeber. Richtlinien verpflichten alle mitgliedstaatlichen Gesetzgeber dazu, bei sich eine bestimmte Rechtslage einzuführen. Halten sich die Staaten nicht daran, dann können sie verklagt werden: von der Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof, und von ihren Bürgern vor den Gerichten ihres Landes. Die nächste Frage lautet: Was für ein Recht: Strafrecht, Arbeitsrecht, Familienrecht usw.? Sicher ist, dass es niemals ein Recht auf allen Rechtsgebieten geben wird; was besser "vor Ort" gemacht werden kann, wird in nationaler Zuständigkeit verbleiben. Das ist der Sinn des sogenannten "Subsidiaritätsprinzips". Seine Konkretisierung unterliegt den Regeln des Gemeinschaftsrechts, die ihrerseits das Ergebnis des politischen Willensbildungsprozesses der Mitgliedstaaten sind. Man sieht nun schnell, dass es in einigen Bereichen viel sinnvoller ist, sich ein einheitliches Recht zu geben, als in anderen. Zu ihnen gehört unter anderem das Recht der Verträge. Denn das ist das Recht, auf dessen Grundlage jeder Markt (und damit auch der europäische Binnenmarkt) funktioniert. Aber es ist nicht einfach, Vertragsrecht anzugleichen. Es ist ein riesiges Rechtsgebiet, betrifft Verbraucher ebenso wie kleine Firmen und Großunternehmen, es ist ein zentrales Gebiet des Privatrechts und dieses wiederum ein zentrales Gebiet der gesamten Rechtsordnung. Außerdem liegt die gesetzgeberische Zuständigkeit in weiten Bereichen des Vertragsrechts nach wie vor bei den Mitgliedstaaten. Man versucht deshalb, neue Wege zu gehen. Einer, an dem auch das Osnabrücker Institut Anteil hat, besteht darin, ein Modellgesetz zu entwerfen, von welchem der Gemeinschaftsgesetzgeber(Parlament und Rat), die nationalen Gesetzgeber und auch die Gerichte als einer Art Werkzeugkasten Gebrauch machen können. In etwa einem Jahr werden wir wissen, ob dieses Konzept aufgeht.