Finanzkrise: Wer haftet bei fehlerhafter Anlageberatung?
- 13.11.2009
- Die massiven Kursrückgänge an den Kapitalmärkten infolge der Finanzkrise haben fast alle Anleger getroffen. Besondere öffentliche Aufmerksamkeit hat die Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers erregt, deren Zertifikate in größerem Umfang auch an deutsche Privatanleger verkauft worden waren. Zertifikate sind Schuldverschreibungen, die einen Zahlungsanspruch gegen die Emittentin verbriefen und, anders als etwa Sparguthaben, nicht vom Schutz der Einlagensicherung erfasst sind. Bei einer Insolvenz der Emittentin müssen die Inhaber dieser Zertifikate daher mit dem Totalverlust des eingesetzten Kapitals rechnen. Zahlreiche Anleger haben inzwischen ihre Bank auf Schadensersatz verklagt mit der Begründung, diese hätte beim Verkauf der LehmanZertifikate Beratungspflichten verletzt. Bislang liegen nur einige erstinstanzliche Urteile vor – mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Die bei solchen Schadensersatzklagen zu bewältigenden Schwierigkeiten sind nur teilweise rechtlicher Art. Denn seit einem Urteil des BGH von 1993 ist im Grundsatz geklärt, nach welchem Maßstab sich die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung richtet: Tritt ein Anlageinteressent mit dem erkennbaren Wunsch an eine Bank heran, sich über Anlagemöglichkeiten eines Geldbetrages zu informieren, kommt bereits mit der Aufnahme des Gesprächs stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande, der die Bank zu einer anlegerund objektgerechten Beratung verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht muss die Bank dem Anleger den daraus entstehenden Schaden ersetzen. Wann ist eine Beratung anlegergerecht? Die empfohlene Anlage muss auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein. Entscheidend dafür sind Faktoren wie die Kenntnisse und Erfahrungen mit Anlagegeschäften der vorgesehenen Art, die finanziellen Verhältnisse, die Anlageziele und die Risikobereitschaft des Anlegers. Die Bank hat sich über diese Punkte Kenntnis zu verschaffen. Objektgerecht ist eine Beratung, wenn der Anleger über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände richtig, vollständig und verständlich aufgeklärt wird. Dies betrifft sowohl allgemeine Risiken wie die Konjunkturlage als auch spezielle Risiken, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjekts ergeben, etwa die Abhängigkeit von Wechselkursschwankungen oder die Bonität des Emittenten. Nach diesen Grundsätzen stellt es bereits eine Pflichtverletzung dar, wenn der Anlageberater einen Kunden, der mit Geschäften dieser Art keinerlei Erfahrung hat, vor dem Kauf eines Zertifikats nicht darauf hinweist, dass er das Bonitätsrisiko des Emittenten zu tragen hat. Andererseits: Wer darüber informiert war, kann das damit verbundene Anlagerisiko nicht nachträglich auf andere abwälzen, wenn es – aus welchen Gründen auch immer – zu einer Insolvenz der Emittentin kommt. In der Praxis sehen sich geschädigte Anleger oft einem schwer überwindbaren tatsächlichen Problem gegenüber: Sie müssen nachweisen, dass Beratungspflichten verletzt wurden. Fand die Anlageberatung – wie üblich – nur mündlich und ohne neutrale Zeugen statt, können sie für den Inhalt des Gesprächs schnell in Beweisnot kommen. Um das zu ändern, hat der Gesetzgeber zwar unlängst die Anlageberater verpflichtet, künftig ein Beratungsprotokoll über den Inhalt des Gesprächs zu erstellen, das für fünf Jahre aufzubewahren ist und von dem der Kunde eine Abschrift verlangen kann. Ob diese Neuregelung aber in der Praxis wirklich zu Verbesserungen für die Anleger führt oder nur bürokratischen Mehraufwand verursacht, wird sich erst noch erweisen müssen.