Steuerhinterziehung. Straffreiheit bei Selbstanzeige?
- 11.11.2011
- Steuerhinterziehung ist, ganz grob skizziert, die unrichtige, unvollständige oder ganz unterlassene Angabe der jeweiligen Besteuerungsgrundlagen (Einnahmen, Umsätze etc.), die zu einer zu niedrigen oder auch nur verspäteten Festsetzung der Steuer führt; mit dem Erlass des unrichtigen oder verspäteten Steuerbescheids ist sie vollendet (§ 370 Abgabenordnung). Das deutsche Steuerrecht kennt seit Einführung der Reichsabgabenordnung 1919 die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige. Dieses Rechtsinstitut ist aber noch älter und stellt keine deutsche Besonderheit dar. Die Idee dahinter ist simpel: Erschließung verborgener Einnahmequellen! Da nach Vollendung einer Steuerstraftat der Steuerhinterzieher nur noch mit der Aussicht auf Straffreiheit »gelockt« werden kann, seine Besteuerungsgrundlagen vollständig mitzuteilen, kann er sich Straffreiheit durch nachträgliche Erklärung und Zahlung der Steuerschuld verdienen. Heute ist die strafbefreiende Selbstanzeige in § 371 AO geregelt; ihre Voraussetzungen wurden im Frühjahr deutlich enger gezogen. Verlangt werden vom Steuerhinterzieher zwei Dinge: • Der Täter muss die Angaben zu allen von ihm hinterzogenen Steuern einer Steuerart, etwa der Einkommensteuer, vollständig nachholen, sofern er wegen dieser Taten strafrechtlich noch verfolgt werden könnte (§ 371 Abs. 1 AO). • Der Täter muss nach der Neufestsetzung seiner Steuerschuld diese vollständig begleichen (§ 371 Abs. 3 AO), zzgl. von sechs Prozent Zinsen p.a. (§§ 235, 238 AO). Kann er nicht zahlen, erlangt er keine Straffreiheit; kann er nur einen Teil bezahlen, wird er nur in dieser Höhe straffrei (was immerhin Auswirkungen auf die Höhe der Strafe hat). Außerdem ist eine strafbefreiende Selbstanzeige nur dann wirksam, wenn keiner der gesetzlich vorgesehenen Ausschlussgründe eingreift (§ 371 Abs. 2 AO). Dies ist, grob gesagt, dann der Fall, wenn • dem Steuerpflichtigen bereits eine Außenprüfung angekündigt wurde (§ 371 Abs. 2 Nr. 1.a] AO), • bei ihm bereits die Steuerfahndung erschienen ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 1.c] AO) oder ihm die Einleitung eines Strafverfahrens wegen der Steuerhinterziehung bekannt gegeben worden ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 1.b] AO) oder • die Tat bereits entdeckt wurde und der Täter jedenfalls mit dieser Entdeckung rechnen musste (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO). Zusätzlich hat der Gesetzgeber 2011 einen weiteren Ausschlussgrund eingeführt für den Fall, dass die einzelne hinterzogene Steuer den Betrag von 50.000 Euro überschreitet (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO). Gleichzeitig ist allerdings auch geregelt worden, dass der Täter bei im Übrigen wirksamer Selbstanzeige durch Zahlung eines weiteren Zuschlags von fünf Prozent der hinterzogenen Steuer die Einstellung des Steuerstrafverfahrens erreichen kann (§ 398a Nr. 2 AO). Diese Regelung wird in der Praxis wegen vielfältiger Ungereimtheiten voraussichtlich zu erheblichen Problemen führen.