Kassenkredite. Wie lange kann eine Stadt auf Pump leben?
- 23.11.2012
- Kredite sind vorweggenommene Einnahmen. Wer einen Kredit aufnimmt, rechnet damit, dass er zu einem späteren Zeitpunkt Einnahmen erzielt, mit denen dieser Kredit getilgt werden kann. Dies ist in der privaten Wirtschaft im Prinzip ebenso wie in der öffentlichen Verwaltung. Bei Kommunen ist zwischen Investitionskrediten und Kassenkrediten zu unterscheiden. Investitionskredite sind zweckgebunden und dürfen nur für Investitionen, Investitionsfördermaßnahmen und zur Umschuldung aufgenommen werden. Der Gesamtbetrag der Kredite ist in der Haushaltssatzung anzugeben und bedarf der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde. Anders ist es bei den Kassenkrediten, die neuerdings als »Liquiditätskredite« bezeichnet werden. Sie dienen der rechtzeitigen Erfüllung von Zahlungspflichten – etwa von Gehältern kommunaler Bediensteter –, wenn andere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Ihrem Grundgedanken nach sind Kassenkredite also nur »Überbrückungskredite« oder – wie vielfach gesagt wird – »Dispositionskredite« der Kommunen. Auch ihr Höchstbetrag bedarf der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde, allerdings nur, wenn er ein Sechstel der Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit übersteigt. In den letzten 20 Jahren hat sich bei den kommunalen Gebietskörperschaften eine Tendenz ergeben, die nicht nur zur Besorgnis Anlass gibt, sondern schlicht rechtswidrig ist. Die Investitionskredite, die im Finanzhaushalt auftauchen, zeigen eine abnehmende Tendenz. Demgegenüber sind die Kassenkredite innerhalb der letzten 20 Jahre um das mehr als Dreißigfache gestiegen und machen heute etwa ein Drittel der Gesamtverschuldung der Kommunen aus. Nach jüngsten Berechnungen liegt die Schuldenlast der Kommunen gegenwärtig bei mehr als 130 Mrd. Euro. Kassenkredite sind damit – entgegen der gesetzlichen Regelung – zu einem Dauerfinanzierungsinstrument der Kommunen geworden, dem die den Investitionskrediten eigene Zweckbindung fehlt. Sie sind trotz ihrer eindeutigen Rechtswidrigkeit von den Kommunalaufsichtsbehörden toleriert worden. Der Staatsgerichtshof hat das Land Niedersachsen für verpflichtet erklärt, zum Abbau der Kassenkredite beizutragen. Die kommunale Verschuldung wird dadurch gefördert, dass Gemeinden und Kreise nicht insolvenzfähig – früher hätte man gesagt: nicht konkursfähig – sind. Dies ist der Grund dafür, dass sie auch bei drohender Überschuldung Kredite zu relativ günstigen Konditionen erhalten und es somit an dem Mechanismus fehlt, der die Kreditvergabe an private Unternehmen üblicherweise begrenzt. Die Kommunen schieben deshalb einen stets ansteigenden »Schuldenberg« vor sich her, bei dem noch nicht erkennbar ist, ob und wie er abgetragen werden kann. Die zunehmende Staatsverschuldung erfordert nicht nur eine Politikänderung, sondern auch einen Mentalitätswandel bei den Bürgern, deren Ansprüche auf Leistungen der Kommunen stetig gewachsen sind. Wann immer von notwendigen Sparmaßnahmen die Rede ist, verfährt man nach dem bekannten »Sankt FloriansPrinzip«: »Oh Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, steck‘ andere an.«