Vorsätzliche Tötung. Verstößt die Todesstrafe gegen Menschenrechte?
- 15.11.2013
- Die Antwort lautet eindeutig »ja«. Zwar enthielt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zunächst kein Verbot der Todesstrafe, aber mit dem Protokoll Nr. 6 zur EMRK aus dem Jahr 1983 änderte sich dies, wenn auch mit Ausnahmen. Dort kann man lesen: »Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden.« Mittlerweile ist das Protokoll von fast allen der 47 Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert worden. Nur in Russland steht die Ratifikation weiterhin aus. Die ausnahmslose Abschaffung der Todesstrafe wurde in Europa mit dem Protokoll Nr. 13 zur EMRK im Jahr 2002 vollzogen. Diesem Protokoll sind mittlerweile 43 Mitgliedstaaten des Europarates beigetreten. Russland und Aserbaidschan haben das Protokoll nicht unterzeichnet. Weltweit lehnt eine Mehrheit aller Staaten die Anwendung der Todesstrafe ab. 97 Staaten haben die Todesstrafe vollständig abgeschafft. In acht Staaten ist die Todesstrafe nur noch für Kriegsverbrechen oder Verbrechen nach dem Militärstrafrecht vorgesehen. 35 Staaten haben sich für eine de facto Abschaffung entschieden. Damit wenden 140 Staaten die Todesstrafe zumindest in Friedenszeiten nicht mehr an. Im Gegensatz dazu halten 58 Staaten an der Exekution fest. Allerdings werden noch in zehn der bevölkerungsreichsten Staaten weiterhin Hinrichtungen durchgeführt. Darunter befinden sich auch Demokratien und führende Industriestaaten wie Japan und einige Bundesstaaten der USA. Gründe für ein Festhalten an der Todesstrafe gibt es nicht. Das beste rationale Argument gegen die Todesstrafe ist, so hat es der Strafrechtslehrer Bockelmann einmal formuliert, dass es keine rationalen Argumente für die Todesstrafe gibt. Fehlurteile sind niemals zu verhindern. Durch spätere DNA-Tests hat man in Amerika zahlreiche Todeskandidaten entlassen müssen. In Illinois ist jedes zweite Todesurteil wegen erwiesener Unschuld aufgehoben worden. Die teilweise behauptete Abschreckungswirkung der Todesstrafe ist widerlegt. Statistisch lässt sich eine Verknüpfung der Verbrechensraten mit den Strafhöhen nicht nachweisen. Nach Abschaffung der Todesstrafe ist die Zahl der Kapitalverbrechen nirgends in die Höhe geschnellt. Mit der Todesstrafe entsteht die Gefahr des Missbrauchs, wie ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt. Auch hat die Todesstrafe nichts mit Gerechtigkeit zu tun, sondern mit Rache. Ein Unrecht, beispielsweise einen Mord, mit einem weiteren Unrecht – der Rache – auszugleichen, kann aber nicht gerecht sein. Auch die ökonomische Analyse der Todesstrafe spricht nicht für sie. Die Kosten für die aufwendigen Verfahren sowie für die Vollstreckung sind wesentlich höher als die Kosten für eine lebenslängliche Inhaftierung eines Täters. Das Verbot der Todesstrafe ist ein Grundbestandteil europäischen Menschenrechtsverständnisses und dieses Verständnis sollte sich auch weltweit durchsetzen.