Noch und nöcher. Welches Eigenleben führen Flick- und Schwafelwörter?
- 13.11.2015
- Es geht hier im Grunde genommen also irgendwie um die Frage, ob bestimmte Wörter im Endeffekt quasi ein sogenanntes Eigenleben führen. Was sind Flick- oder Schwafelwörter überhaupt? Auf diese Weise werden mehr oder weniger inhaltsleere Ausdrücke bezeichnet, die ohne Informationseinbußen und ohne, dass der Satz ungrammatisch wird, weggelassen werden können. Da die Bezeichnung aber sehr negativ klingt, wird an dieser Stelle wertneutraler und linguistisch passender von Füll- bzw. Modalwörtern gesprochen. Häufige Wörter dieser Art sind halt, quasi, gewissermaßen, irgendwie, wohingegen komplexere Ausdrücke wie noch und nöcher, im Endeffekt, im Grunde genommen oder das beliebte ich sach’ mal auch als Formeln bezeichnet werden. Teilweise werden sie ganz bewusst eingesetzt, zum Beispiel um eine Aussage abzumildern, teilweise aber auch unbewusst, aus einer Angewohnheit heraus. Wenn der Gebrauch beim einzelnen Sprecher vom bewussten Einsatz in den gewohnheitsmäßigen übergeht, kann man in der Tat von einem Eigenleben der Ausdrücke sprechen. Die Beurteilung dieser Wörter erfolgt aus zwei Perspektiven: einer funktionalen und einer stilistischen. Der stilistische Ansatz ist eindeutig der populärere. So findet sich in einer Vielzahl an Ratgebern für stilsicheres und gutes Deutsch die Bemerkung, dass Füllwörter in der Regel überflüssig sind, da sie den Blick auf das Wesentliche verstellen und einen Text „unnötig aufblähen und überfrachten“ (Wolf Schneider, Deutsch für Profis). Das ist nicht grundsätzlich falsch, greift aber zu kurz. Man muss sich nämlich fragen, welche Intention der Sprecher bzw. Schreiber mit dem Gebrauch dieser Ausdrücke verfolgt. Der funktionale Ansatz der pragmatischen Linguistik fragt deshalb nach der Wirkung sprachlicher Merkmale in der Gesprächssituation. So kann durch Vagheitsausdrücke wie irgendwie oder halt der Wahrheitsanspruch abgeschwächt werden, wenn der Sprecher sich nicht sicher ist; noch und nöcher wirkt mit entsprechender Betonung ungleich kräftiger als das einfache noch. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen mündlichen und schriftlichen Äußerungen: Während Füllwörter in bestimmten Textgattungen tatsächlich unschön sind, – man denke an einen Zeitungsbericht, der in erster Linie ja informieren soll – werden sie in der mündlichen Kommunikation durchaus geschätzt: Durch den Einsatz von Füllwörtern wird eine Äußerung als lebendiger, authentischer und weniger hölzern wahrgenommen. Eine weitere, nicht ernst gemeinte Funktion sprach übrigens die „taz“ in einer humoristischen Kolumne an: „Sätze gewönnen [durch das Weglassen jeglicher Füllwörter] an Klarheit, Deutlichkeit und zuweilen Logik. Klarheit, Deutlichkeit und logisches Denken machen Arbeit: Aus diesem Grund erfüllen die Flick-, Füll- und Schwafelwörter doch einen Zweck.“ Übrigens folgt der Gebrauch dieser Wörter auch sprachmodischen Trends; wahrscheinlich werden einige von ihnen wieder verschwinden oder durch neue Ausdrücke abgelöst.