Recht auf Rausch. Sollte der Konsum von Cannabis legalisiert werden?
- 13.11.2015
- Ob es ein uneinschränkbares „Recht auf Rausch“ gibt, ist eine verfassungsrechtliche und rechtsphilosophische Frage, deren Beantwortung viel mehr Raum erfordern würde. Das Bundesverfassungsgericht hat sie vor 21 Jahren verneint (BVerfGE 90, 145). Dagegen ist die Frage, ob der Konsum von Cannabis legalisiert werden sollte, eine rechtspolitische, die von der ersten getrennt werden kann. Sie ist zunächst dahin zu präzisieren, dass der Konsum als solcher nicht verboten ist, wohl aber alles, das einen Konsum ermöglicht (Anbau, Erwerb, Besitz etc.). Hier beginnen bereits die juristischen Schwierigkeiten, denn es sind argumentative Verrenkungen erforderlich, um nicht jeden Teilnehmer einer „Raucherrunde“, der einen Joint für einen Zug entgegennimmt, bereits des „Besitzes“ zu bezichtigen. In Deutschland konsumieren nach konservativen Schätzungen mindesten eine Mio. Personen Cannabis, andere gehen von zwei Mio. aus. Umfragen zufolge hatten im Jahr 2003 25 Prozent der 18- bis 59-Jährigen Erfahrung mit Cannabis, 2004 waren es bei den 12- bis 25-Jährigen 31 Prozent. Die Prohibition von Gütern, die von einem relevanten Teil der Bevölkerung nachgefragt werden, ist gesellschaftlich hochproblematisch. Die Alkoholprohibition in den USA von 1920 bis 1933 hat nicht nur Millionen US-Amerikaner in die Illegalität getrieben, sondern auch dem organisierten Verbrechen den Durchbruch verschafft; seine bis heute andauernde Macht wäre ohne die Prohibition nicht denkbar. Es wäre ein Irrtum anzunehmen, die Situation im heutigen Deutschland sei damit nicht zu vergleichen. Die Prohibition von Cannabis ist seit langem ein Konjunkturprogramm für die „organisierte Kriminalität“ („OK“). Weil der Markt illegal ist, wird er ausschließlich von Akteuren bedient, die mit der Illegalität kein Problem haben. Die angedrohte Strafe erweist sich dagegen als wirkungslos – es ist in keiner deutschen Stadt ein Problem, Haschisch oder Marihuana zu erwerben. Zugleich führt das Verbot dazu, dass Millionen von Bürgern kriminalisiert werden, weil sie die gewünschte Ware nur unter Verstoß gegen ein strafrechtliches Verbot erwerben können. Das wiederum führt zu enormen Folgekosten: Für die Strafverfolgung werden jährlich Hunderte von Millionen Euro aufgewendet, zahllose Ermittler durch Verfahren gegen Konsumenten gebunden. Weil der Markt illegal ist, kann auch kein Gesundheitsschutz stattfinden – der Staat hat keinerlei Einfluss darauf, in welcher Reinheit und Konzentration ein illegales Rauschmittel verkauft wird. Das ist bei Alkohol anders – der giftige Methylalkohol ist schon lange nicht mehr (relevanter) Bestandteil von legal erhältlichen Alkoholprodukten. Bei Cannabisprodukten fehlt jeder Jugend- und Verbraucherschutz. Dies könnte der Staat ändern, wenn er den Verkauf von Cannabis legal und kontrolliert ausgestaltete – auch gezieltere Risikoaufklärung würde möglich. Zugleich könnte er dadurch sein Steueraufkommen erhöhen – bislang profitiert nur die „OK“, die bei einer Legalisierung ihr Geschäft verlieren würde.